Ich bin dann mal weg. Weg von Windows als Arbeits-Desktop. Weg, bevor die KI dort ganz einzieht, mich ausmißt oder mir ein Angebot aus dem lokalen Aldi vermittelt.
Es war so einfach am Anfang mit CP/M. Einfach, weil die Möglichkeiten überschaubar waren: 8-Zoll-Laufwerke, POWER.COM, dBASE und ein bernsteinfarbener Bildschirm. Immerhin schon 64 KB RAM und ein Zilog Z80 als 8-Bit-Prozessor. Konzentration auf das Wesentliche. Naja, zumeist: Es gab auch schon (textbasierte) Spiele!
Später dann DOS. Wie CP/M, aber mit Verzeichnissen und Festplatten. Es machte Spaß zu tüfteln, wie man mit Stapeldateien tägliche Aufgaben automatisieren konnte. Dazu die Entwicklung der Graphikkarten von MDA über CGA, HGC, EGA bis VGA. Die ersten graphischen Spiele entstanden!
Mit Windows kam die Umgewöhnung auf graphische Oberflächen. Bunt mit Maus statt mit tastengesteuerten Batch-Menüs. Und eine stetig wachsende Zahl an Software dazu. Windows entwickelte sich administrativ immer weiter, wurde netzwerkfähig, Arbeitsgruppen und Domänen entstanden.
Diese schöne und einfache Ära mit Windows ist vorbei. Gründe gibt es mehrere:
Unerwünschte Datenabflüsse. Ab Vista (und durch Updates rückwirkend auch für XP) begann schleichend der Datenabfluß: vom Rechner in die Weiten des Internets. Zu MS-Servern. Später auch zu Servern anderer Software-Hersteller. Unbemerkt, da noch kein Router den Netzverkehr kontrollierte.
Mit Windows 10 dann regelmäßig verschlüsselte Datenabflüsse. Selbst unter der restriktivsten Einstellung in den Datenschutzoptionen des Betriebssystems zeigte der Router Verbindungen nach draußen allein schon beim Klicken auf Task Manager, Taschenrechner oder Einstellungen. Wozu muß jeder Klick nach Übersee gemeldet werden?
Unerwünschte Datenzuflüsse. Ab Windows 8 zusätzlich der umgekehrte Datenfluß: Lokalisierte Werbung als Kacheln auf dem Desk. Mit der Zeit immer mehr. Statt mich in Ruhe arbeiten zu lassen, lenkt Windows nun meine Aufmerksamkeit ständig woanders hin.
Verhaltenssteuerung. Schließlich der Druck im Willkommensbildschirm nach jedem Update, mein Verhalten zu ändern. Mein PC müsse gesichert und mit weiteren MS-Diensten verbunden werden, damit ich einfacher und sicherer auf allen meinen Geräten arbeiten könne. Dazu möge ich bitte …
• ein Abonnement für Microsoft 365 abschließen,
• ein MS-Online-Konto statt ein lokales verwenden,
• meine Smartphone-Daten auf dem PC sichern,
• meine PC-Daten in der MS-Cloud sichern,
• den PC mit biometrischen Daten entsperren und
• der Browser-Verbesserung zustimmen.
Man beachte die Emotionen aktivierende Ansprache: Wer möchte nicht einfacher und sicherer arbeiten?
Aber das Gegenteil ist wahr: Ich arbeite einfacher und sicherer ohne Dich, Windows. Du greifst alle möglichen Daten von mir ab, müllst mich mit Werbung zu, lenkst mich ab und gängelst mich. Du kontrollierst mich statt ich Dich. So funktioniert unsere Arbeitsbeziehung nicht. Zeit, Lebewohl zu sagen.
Sich von einer vertrauten Software-Umgebung zu lösen fällt schwer. Daher erfolgte in den letzten Jahren zunehmend und parallel zu Windows ein Probebetrieb mit Linux.
Der erste Versuch jenseits von Windows war vor etlichen Jahren ein dickes und großes Handbuch im Quartformat für Unix System 5 sowie Minix auf Disketten. Gescheitert.
Später, zeitgleich zur Evolution von Windows, erfolgten parallel die ersten Suse-Installationen mit acht CDs, die aber als Spielwiese eher ein Nischendasein führten.
Nach Suse fiel zunächst die Wahl auf Ubuntu als ausgereifteres Desktop-System, was sich aber schnell wieder ins Aus schoß: Big-Brother-Award, Whoopsie; später Snap-Store und die nicht-intuitive und kaum konfigurierbare Gnome-3-Shell, die mich wertvolle Arbeitszeit kostete. Ergonomische Benutzeroberflächen kann Windows besser!
BSD war interessant, aber die angebotene Software reichte nicht und die Weiterentwicklung war zu langsam bzw. die Zahl aktiver Programmierer zu gering.
Dann ein Versuch mit dem jungen Linux Mint, das sich ehesten für das produktive Arbeiten am Desktop eignete, weil es das Beste aus zwei Welten vereint: den Vorteil eines klassischen Desktops und den Vorzug einer werbe- und trackingfreien Open-Source-Umgebung. Eine ausgereifte, ergonomische Oberfläche, in die man sich intuitiv und schnell einfindet, mit allen täglich wichtigen Applikationen. Es erwies sich als geeignet.
Bisher bin ich bei Mint geblieben und habe es nicht bereut. Windows braucht es nur gelegentlich, z. B. für den alten Canon-Scanner, für den es keine Linux-Treiber gibt, zum Testen von Kompilaten für Windows oder für bestimmte Spiele. Windows läuft dabei unter sehr restriktiven Spielregeln: Der Virenscanner wird regelmäßig durch eigene und automatisierte Downloads mit Updates versorgt. Der Browser darf sich noch nach draußen verbinden, das System nicht. Ca. alle zwei Jahre wird es komplett neu aufgesetzt; es kann nichts verloren gehen, da die Benutzerdaten woanders liegen.
Damit war der Wechsel im Desktop vollzogen. Aber ein neues Problem tauchte auf:
Als lokaler Datei- und Webserver fungierte bisher eine DS114 von Synology. Viele Jahre funktionierte dies zufriedenstellend, bis es auch hier schwierig wurde: Die Konfiguration des Webservers gestaltete sich bei jedem Release problematischer und ging nicht mehr via DSM, sondern nur mit Handarbeit auf Systemebene. Auch der als geräuscharm bezeichnete Lüfter war im Betrieb stets hörbar. Die für ein NAS eher niedrige Leistungsaufnahme von 16 W summierte sich dennoch im Dauerbetrieb. Mit dem Einsatz eines LAN-Routers wurde auch klar, daß sich die DS zu Dutzenden Synology-Servern (payment.synology.com etc.) ungefragt verbindet. Dies ließ sich noch durch den Router untersagen. Als aber die eingebaute Western-Digital-Red-HD versagte und auf eine SSD umgestellt werden sollte, war Synology schon dazu übergangen, nur noch die im eigenen Haus »zertifizierten«, teuren Speichermedien zu erlauben. Und auch dort war ich dann mal weg.
Nun werkelt ein Mini-PC als NAS: Eine lüfterlose Narrow Box Premium von CSL mit 8 GB RAM und 500 GB SSD für 280 EUR. Das Teil braucht nur 7 W! Das vorinstallierte Windows 11 S wurde mit einer Minimalinstallation von Debian (netinstall) ersetzt, mit einem LAMP-Stack versehen, angepaßt und läuft und läuft – problemlos, geräuschlos, stromsparsam und datensparsam. Alle paar Wochen erfolgen eine Datensicherung und ein System-Update. Der Ein/Aus-Knopf fährt das System bequem und korrekt hoch oder herunter. So muß NAS gehen!
Mittlerweile erfolgt 90 % der produktiven Arbeit unter Linux. Nur wenig an Software mußte im Verlauf der letzten beiden Jahre neu beschafft oder umgeschrieben werden. Die Mühe war es definitiv wert.
Ich bin bei einem neuen System angekommen. Windows ist jetzt das Nischensystem.