Wer kennt sie nicht: leidige und sich stets erneuernde Pop-Up-Fenster mit intelligenzneutraler Werbung, Verbindungen zu unerwünschten Domänen, fragwürdige Gewinnspielangebote oder Bauernfängermeldungen, daß man für einen Preis ausgewählt wurde. Viele Domänen enthalten bereits Hunderte Verknüpfungen zu Werbeservern, die der Browser automatisch mitladen muß und welche das Laden der Seite verzögern. Werbung als solche muß nicht schlecht sein; erschlägt sie jedoch den Benutzer oder erschwert die Navigation, ist sie als Netzmüll (lat. Caenum reticulare, engl. Bullshit Advertising) zu betrachten und zu eliminieren. Die Abhandlung behandelt Entwicklung und Vorkommen von Netzmüll und Methoden zu dessen Entsorgung.
Ja, es war einmal werbefrei, das Netz aller Netze. Lange ist es her, als Anfang der 90er Jahre die Universitäten mit hauptsächlich wissenschaftlichen Artikeln schwarz in silbergrau die ersten zaghaften Gehversuche im WWW machten. Suchmaschinen gab es noch nicht, dafür bescheidene Sammlungen handverlesener Verweise und ach ja, das Fidonetz war noch nicht tot. Bilder stellte Mosaic 1993 bereits ohne externe Hilfsprogramme inline (im gleichen Fenster) dar. In HTML wurde noch physisch formatiert, CSS existierte noch nicht. Sprang man mit Mosaic von einem Uni-Rechner in Deutschland per Hyperlink zu einem in Sydney, verursachte anfangs die Vorstellung, mit einem Klick auf einem Server „ganz weit unten“ zu sein, fast einen Schwindel.
Mitte der 90er betraten die Kreativen das Netz, um die gefühlt grau-schwarze Tristesse des Netzes zu beenden. Autoren tobten sich mit animierten GIFs, Hintergrund-Bildern, Text und Laufschriften aus. Da es weder CMS-Systeme noch WYSIWYG-Editoren gab, um bei der Seitenerstellung zu helfen, bearbeitete man den HTML-Quelltext per Hand. Das ganze Netz war eine einzige Baustelle. Der Aufbruch ins neue Medium hatte begonnen.
Zur selben Zeit entdeckten auch die Firmen das neue Medium und präsentierten sich im Netz. Die Online-Werbung entwickelte sich, erst nur auf den eigenen Firmenseiten, dann auch als Bannerwerbung. Die Kommerzialisierung des Netzes begann. Pop-Ups kamen in Mode, welche mit der Zeit immer aggressiver eingesetzt wurden bis hin zu rekordverdächtig penetranten Fenstern, die sich nach ihrer Schließung immer wieder öffneten. Der Netzmüll war geboren.
Ja, da konnte man nur mit dem Kopf schütteln, und zog als Verbraucher die Notbremse, indem man animierte GIFs oder JavaScript im Browser deaktivierte oder HTTP-Proxys als Werbefilter einsetzte.
Die Werbeleute sahen es ungern, daß ihr Netzmüll teilweise ins Leere lief und erweiterten ihr Repertoire: DoubleClick-Werbung, Flash-Banner, Button, Skyscraper, Pop-Under und wie sie alle hießen. Dabei tasteten sie sich fleißig an die Grenze vor, an der Netzmüll zu nerven anfing. Leider lagen sie oft falsch, nämlich Meilen darüber. Da die Einnahmen eines Angebotsbetreibers von der Zahl an Werbeflächen abhängen, wurde der Netzmüll auch nicht weniger – der fehlenden Benutzerfreundlichkeit vermüllter Angebote zum Trotz. Daher formierten sich auf der Nutzerseite 2002 die Werbeblocker [8]: Programme, die den Netzmüll gezielt herausfiltern sollten. Auch die Browser-Hersteller rüsteten zunehmend ihre Browser mit integrierten Pop-Up-Blockern aus.
Das ärgerte die Werbeleute und sie begannen 2006, Netzmüll gezielt über CSS zu verbreiten (Layer-Ads). Dieser Netzmüll konnte durch die in den Browsern integrierten Pop-Up-Blocker nicht mehr blockiert werden, sondern nur noch über das Abschalten von JavaScript oder CSS oder über die gezielte Sperrung der URLs der Layer-Ad-Server. Opera-Benutzer hatten es gut, da ihnen schon ab ab 2002 die Möglichkeit offenstand, gezielt URLs zu sperren. Die Werbeblocker zogen jedoch nach: Programme wie LayerBlock [9] oder die Einbindung benutzerdefinierter CSS- oder JS-Dateien in aktuelle Browser erlaubten jetzt auch die hygienische Beseitigung des über CSS transportierten Netzmülls.
Nachdem der Netzmüll viele potentielle Käufer nicht mehr erreicht, versucht die Werbebranche es über das sog. Virale Marketing: Soziale Netzwerke, die Menschen mit gleichen Interessen zusammenbringen sollen, werden mit Werbung infiziert, um Menschen zielgruppengenauer („individueller“) zuzumüllen. Empfiehlt ein Freund etwas, ist es immerhin mehr wert als eine anonyme Bannerwerbung. Daß die Monetarisierung dieser Netzwerke bisher doch nicht gut läuft wie früher angenommen, ist nun auch klar geworden. Mittlerweile sind viel Netzbenutzer, insbesondere Jüngere, werbeblind geworden: der Thalamus filtert alles aus, was nach Werbung aussieht. Da nutzen auch ausgefeilte Werbetechniken nichts.
Unterdessen werden auch persönliche Inhalte aus E-Mails, die man bei manchen Gratis-Mailanbietern schreibt, von diesen maschinell ausgelesen, um entsprechende Werbung zu plazieren. Schreibt man sich in einer solchen E-Mail z.B. vor lauter Liebeskummer den Frust von der Seele, kann der E-Mail-Anbieter passend die Werbung eines Sterbehilfevereins anbieten. Viele Menschen empfinden diese Form von personalisierten Netzmüll zwar als einen Übergriff in ihr Privatleben; unsere Werbeindustrie wird deshalb jedoch nicht zurückrudern. Irgendwann werden sich die Menschen schon daran gewöhnen, gläsern zu sein.
Die in einem Netzangebot integrierte Werbung wird absehbar in Form und Inhalt näher an dessen Hauptinhalt rücken. Die nahtlose Integration von Werbung und Inhalt wird die Identifizierung von Werbung auf einer Seite für den Benutzer weiter erschweren. Entdeckt man nicht die kleingedruckte Überschrift „Partnerangebot“ o.ä., wird der Benutzer die Anzeige als originären Bestandteil des Angebots betrachten.
Daß Werbung auf Blogs nicht mehr viel einbringt, ist nun auch bekannt. Einerseits, weil eine objektive Sichtweise des Blogbetreibers durch die geschaltete Werbung nicht mehr gewährleistet ist, denn er verdient nun Geld mit dem Blog und seine Netzpräsenz ist kommerzieller Natur, s.a. das TMG dazu. Andererseits, weil viele Blogs nichts zu sagen haben und wieder sterben werden: Nach wie vor zählt Inhalt. Ein Wordpress-Blog mit Pseudobeiträgen und -kommentaren, obwohl ästhetisch anmutend, hat nichts mitzuteilen.
Die USA-Regierung findet die kommerzielle Verwertung von Blogs bereits so bedenklich, daß diese zukünftig strengeren Regularien ähnlich denen der Druckmedien unterliegen sollen (z.B. ihre finanziellen Abhängigkeiten darzustellen haben). Grund ist der Umstand, daß viele Blogger bereits von Unternehmen gebucht werden, um gezielt ahnungslosen und unvorbereiteten Lesern entsprechende Produkte zu empfehlen. Auch Facebook oder Twitter sollen betroffen sein [7].
Trotzdem: Die Unternehmen werden ihre Ausgaben für Netzmüll weiter steigern und durch Kürzungen des Etats für konventionelle Werbung teilfinanzieren [1]. Es bleibt also spannend, wie sich das gegenseitige Hochrüsten von Müllanbietern und Müllvernichtern weiter entwickelt.
Einige Methoden zur Entsorgung von Netzmüll wurden schon im Abschnitt Entwicklung des Netzmülls angerissen. Da Netzmüll über verschiedene Technologien vom Browser geladen und angezeigt wird, gibt es auch keine Generallösung zur hygienischen Entsorgung. Zwar ließe sich über das Abschalten von JavaScript, CSS und Browser-Erweiterungen schon das Gros an Netzmüll entsorgen. Diese Holzhammer-Methode würde aber auch nützliche Funktionen vieler Netzseiten ausschalten und einige Seiten sogar unbedienbar hinterlassen. Abhängig vom eigenen Kenntnisstand über Netztechnologien, dem persönlichen Hygienebedürfnis und von der Art der Werbung, mit der man größtenteils konfrontiert wird, sind daher feiner abgestufte Blockadetechniken notwendig. Vielen Nutzern reicht eine bequeme Universal-Methode aus, z.B. eine Browser-Erweiterung; andere werden einen Methoden-Mix bevorzugen.
Zum einen gibt es den Weg, lokale DNS-Server, lokale Proxy-Server oder die Datei hosts zur Entsorgung von Netzmüll einzusetzen. Da Netzmüll häufig auch als Wanze fungiert, sind diese Instrumente bereits im Aufsatz über die Netzwanzen einschlägig beschrieben und dort nachzulesen. Zum anderen kann ein Benutzer, der Opera verwendet, dessen integrierten URL-Blocker verwenden. Zum dritten gibt es für einige Browser, wie z.B. für Firefox oder Thunderbird, entsprechende Erweiterungen, die Netzmüll ausfiltern. Daneben bieten viele Browser einen integrierten Pop-Up-Blocker an, häufig kombiniert mit der Möglichkeit, animierte GIF-Bilder oder Klänge zu blockieren. Zuletzt sei noch die Möglichkeit erwähnt, über benutzerdefinierte Format- und JavaScript-Vorlagen (engl. User Cascading Style Sheets, User Scripts) einen Großteil des Layer-Ads-Netzmülls zu entfernen. Diese Methoden sollen nachfolgend ohne Anspruch auf Vollständigkeit erläutert werden.
Wer Opera ab Version 6 als Browser einsetzt, hat die Möglichkeit, unerwünschte Werbung in Netzseiten über eine im Browser integrierte URL-Filterdatei auszublenden. Um die Filterung von Opera bis zur Version 9 zu aktivieren, fügt man in Operas zentraler Konfigurationsdatei opera6.ini
unter dem Abschnitt [Adv User Prefs]
eine Zeile hinzu, die Opera den Namen der Datei angibt, in welche der Benutzer die unerwünschten URLs einträgt:
; opera6.ini
; This file is part of the Opera browser.
; Do not edit this file while Opera is running
[Adv User Prefs]
URL Filter File=filter.ini
Ab Opera 10 ist der Verweis auf diese Filterdatei stattdessen in Operas zentraler Konfigurationsdatei operaprefs.ini
unter dem Abschnitt [Network]
einzutragen. Der Ort der zentralen Konfigurationsdatei hängt von Operas Version ab und davon, ob Opera für einen oder mehrere Benutzer installiert wurde. Er läßt sich über opera:about | Einstellungen
bzw. Profilverzeichnis
ermitteln.
In die Datei sollte ein Bereich [include]
und ein Bereich [exclude]
wie abgebildet eingetragen werden, die definieren, welche URLs zu filtern sind und welche nicht. Zu beachten ist, daß Opera alle URLs ausschließt, die nicht unter [include]
inkludiert wurden. In dieser Filterdatei kann man nun unter dem Abschnitt [exclude]
die Verknüpfungen aufführen, die nicht geladen werden sollen; Joker wie *
(beliebig viele Zeichen) und ?
(genau ein Zeichen) sind möglich. Nachfolgend eine Beispieldatei:
[include]
*
[exclude]
http://ad.*
http://ads.*
http://adserv*
http://banner*
http://count*
http://*.advert.*
http://*.doubleclick.net/*
http://*.hitbox.net/*
http://*.ivwbox.de/*
http://*.tradedoubler.*
http://*/ads/*
http://*/Ads/*
http://*/banners/*
http://*click*
Mit diesen Einstellungen werden alle Server geblockt, deren Subdomäne ad
oder ads
lautet oder mit adserv
etc. beginnt, desgleichen alle Server, deren Domäne advert
etc. lautet und alle Server, die einen Ordner namens ads
, ads
etc. aufweisen.
Die oben aufgeführte Liste ist nur als Beispiel gedacht; umfangreiche Werbeblocklisten sind im Netz zu finden [2, 3, 4], wobei für Deutsche eine auf deutschen Netzmüll ausgerichtete Liste am sinnvollsten erscheint [5]. Hat man eine dieser Listen heruntergeladen und auf die eigenen Bedürfnisse angepaßt, sollte abschließend eine Kompression durch Eliminierung redundant vorhandener Einträge vorgenommen [6] und Opera neu gestartet werden.
Neuere Versionen von Opera erlauben die Einrichtung der URL-Filter-Datei auch durch direkte Konfiguration über den Eintrag opera:config#Network|URLFilterFile. Der mit Opera V. 9 TP 2 eingeführte integrierte Werbeblocker greift gleichfalls lesend und schreibend auf diese Datei zurück und stellt somit eine grafische Benutzeroberfläche für diese Filterdatei dar. Er kann über den Kontextmenü-Eintrag Inhalte blockieren
für jedes Element einer Netzseite individuell aufgerufen werden. Unter dem Menüeintrag Extras | Weiteres | Blockierter Inhalt
läßt sich der Inhalt der Filterdatei nun gleichermaßen direkt in Opera abfragen und bearbeiten.
Operas URL-Blocker kann außer zur Blockade von Werbung auch für andere Zwecke eingesetzt werden. Das folgende Beispiel blockiert lokale Dateien und Nachrichten (da nicht inkludiert) und ZIP-Archive von FTP-Seiten:
[include]
http://*
ftp://*
[exclude]
ftp://*.zip
Normalerweise hat der Bereich [exclude]
einen höheren Rang als [include]
; durch das Setzen des Flags prioritize excludelist=0
unter dem Bereich [prefs]
läßt sich dies jedoch ändern, wie das nächste Beispiel demonstriert, in dem nur der Zugriff auf eine Domäne gestattet ist (z.B. für einen Kiosk-Modus):
[prefs]
prioritize excludelist=0
[include]
http://???.denic.de/*
[exclude]
*
AdBlock bzw. dessen Nachfolger AdBlock Plus [8], ist eine Browser-Erweiterung (Plugin) für Firefox bzw. den E-Mail-Klienten Thunderbird, um Werbung zu blockieren. Mit AdBlock Plus ist es zudem möglich, Filterlisten automatisch zu abonnieren, um die Liste zu blockierender Werbe-Elemente aktuell zu halten. Ähnlich zu Operas URL-Filterdatei können die auszufilternden Elemente mit Platzhaltern (*
, ?
) bezeichnet werden. Zusätzlich sind reguläre Ausdrücke zulässig. Neben klassischen Werbebannern können Flash-Elemente, Inline-Frames und Java-Applets blockiert werden.
LayerBlock [9] ist eine Erweiterung für Firefox mit dem Ziel, die über CSS (Layer-Ads) vermittelte Werbung auf Netzseiten zu unterdrücken. Klassische Banner werden nicht gefiltert, dafür sollte AdBlock (Plus) eingesetzt werden.
Fast alle aktuellen Browser bieten an, Pop-Up-Fenster zu blockieren: entweder nur die automatisch aufgehenden Pop-Ups oder alle (also auch die durch Benutzer geöffneten Pop-Up-Fenster). Opera bietet diese Einstellung z.B. bequem über die Taste F12 an. Kephyr [11] bietet z.B. die Möglichkeit, die Wirksamkeit des eigenen Pop-Up-Blockers mit knapp 30 verschiedenen Pop-Up-Typen zu testen. Festzuhalten ist allerdings, daß CSS-getriggerte Werbung (Layer-Ads) von den integrierten Pop-Up-Blockern nicht erfaßt wird. Für diese Fälle ist entweder LayerBlock oder eine benutzerdefinierte CSS-Vorlage einzusetzen.
AdSweep [10] ist eine Benutzervorlage in Form einer Javascript-Datei für Standard-Browser wie Opera, Firefox oder Safari, um unerwünschte Werbung auszufiltern. Viele Browser erlauben es, benutzerdefinierte JavaScript-Dateien in den eigenen Browser einzubinden. AdSweep verwendet CSS-Pseudoklassen, um Werbung und werbeähnliche Elemente zu filtern. Dabei versucht AdSweep die Elemente so zu entfernen, daß das Design der Seite nicht zerstört wird.
Daneben gibt es die Möglichkeit, Benutzer-CSS-Vorlagen [8] zu verwenden, um gezielt CSS-Werbung zu unterdrücken. Die meisten modernen Browser ermöglichen die Integration von benutzerdefinierten CSS-Vorlagen in Netzseiten.
Werbung kann bei zielgruppengenauer Ansprache hilfreich sein, z.B. wenn zu einem bestimmten Thema ein dezenter Werbeverweis zu einem im Handel erhältlichen Buch angezeigt wird. Oft wird Werbung jedoch penetrant gestreut, beleidigt als Netzmüll die Intelligenz und den Geschmack des Lesers oder erschwert massiv die Navigation. Liegt schon bei nicht vermüllten Netzseiten der Informationsgehalt einer Netzseite oft unter 20% (Anteil des Textvolumens am gesamten Speicherbedarf der Netzseite incl. medialer Elemente), reduziert sich dieser mit Werbung auf oft unter 2%. Massierte Werbung gerät so auch zur Belastungsprobe für langsame Netzverbindungen.
Netzbenutzer sind in unserer Zeit jedoch nicht mehr so wehrlos oder unmündig, wie mancher Industriezweig sie gerne hätte. Interessierten steht heute ein großes Repertoire an Methoden zur hygienischen Entsorgung von Netzmüll z.V. Da Netzmüll über technologisch unterschiedliche Wege durch den Browser ins Haus eingeschleppt wird, ist eine individuelle Kombination von Entsorgungsmethoden oft sinnvoll.